Richtungen im Buddhismus

Richtungen im Buddhismus 

Schon mit dem Tod (Parinirvana) des Buddha begannen sich die ersten Diskussionen in Bezug auf die Lehre und Ordensregeln und deren Auslegung abzuzeichnen. Die Notwendigkeit, seine Worte möglichst rasch nach seinem Tod festzulegen, ergab sich schließlich auch daraus, dass er keinen Nachfolger eingesetzt hatte und seine beiden Herzensschüler (Sāriputto und Moggallāno) schon vor dem Tod des Buddha erloschen (verschieden) waren. Nach Buddhas Anordnung sollte die Lehre (Dhamma) und die Ordensregeln als alleinige Autorität für den Orden gelten.

Man kann getrost davon ausgehen, dass niemand den Dhamma besser lehren kann, als der Buddha selbst es getan hat. Alle Belehrungen beruhen auf ihm, gehen auf ihn zurück und können letztlich nur durch die überlieferten Lehrreden (Suttas) überprüft werden, selbst der Vinaya-Pitaka (Ordensregeln). Wer den Dhamma sieht, sieht den Buddha. Wer den Buddha sieht, sieht den Dhamma. Wer die Suttas liest, lernt den Dhamma, wer den Dhamma lernt, liest die Suttas.

Der historische Buddha Gotama ist der höchste Lehrer: „Der Erhabene ist es, der weiß; er ist es, der sieht. Er ist das Auge, er ist das Wissen, er ist der Dhamma, er ist der Heilige. Er ist der, der spricht, der Verkünder, der die Bedeutung klarmacht, der Geber der Todlosigkeit, der Meister des Dhamma, der Wahrheitsfinder.“ (MN18)

Noch vor seinem Tod sprach der Buddha zu Ānanda, seinem Sekretär: „Es mag sein, Ananda, dass einige von euch sagen werden: ‚Ohne den Buddha, den erhabenen Lehrer, gibt es keinen Lehrer für uns.‘ Doch, Ananda, so solltet ihr nicht denken. Was ich euch als Dhamma und als Vinaya (Regeln f. Mönche u. Nonnen) gelehrt und bekanntgemacht habe, wird euer Lehrer sein, wenn ich weg bin.“ (D16)

Ānanda, als er später zwei Brahmanen antwortete: „Es gibt keinen Einzigen, der vom Erhabenen, der weiß und sieht, der vollendet und vollkommen erleuchtet ist, so ernannt wurde: ‚Er wird eure Zuflucht sein, wenn ich gegangen bin‘, an den wir uns jetzt wenden… Es gibt keinen Einzigen, der vom Sangha gewählt und von einer Anzahl älterer Mönche so ernannt wurde: ‚Er wird unsere Zuflucht sein, nachdem der Erhabene gegangen ist‘, und an den wir uns jetzt wenden. Doch wir sind nicht ohne Zuflucht, wir haben den Dhamma als unsere Zuflucht.“ (MN108)

Schon zu Lebzeiten des Buddha wurden seine Lehrreden und Ordensregeln von den Mönchen auswendig gelernt und untereinander in Gruppen rezitiert, um Abweichungen zu vermeiden. Diese Tradition hat sich bis heute fortgesetzt, auch nachdem die Lehren erstmals aufgeschrieben wurden.

Es war der Mönch Mahakassapa, der nach der Einäscherung des Ordensgründers fünfhundert Mönche, Erwachte (Arahants), aufforderte, in der folgenden Regenzeit eine Versammlung abzuhalten, um die bereits überlieferten Worte des Buddha nochmals gemeinsam zu rezitieren und für nachfolgende Generationen mündlich festzuhalten. Man traf sich unter Mahakassapas Vorsitz an der Sattapanni-Höhle am Nordhang des Vebhara-Berges von Rajagaha zum ersten Konzil.

(Cv 11,1)
„Lasset uns ehrwürdige die Lehre und Ordensregeln gemeinsam aufsagen, bevor Irrlehren entstehen und die (wahre) Lehre vergeht, ... damit nich Irrlehrer auftreten, während die Sachkenner zu schwach werden.“

Auf diesem Konzil befragte der ehrw. Mahakassapa einen anderen Arahant, den ehrw. Upali, den der Buddha als an der Spitze der Kenner der Ordensregel bezeichnet hatte, über die Ordensregeln. Danach befragte er den ehrw. Ananda über die Lehrreden. Ananda wurde vom Erwachten als derjenige Nachfolger gepriesen, der nicht nur in einer, sondern in fünf vorzüglichen Eigenschaften herausragte. Eine davon war eine außergewöhnliche Gedächtniskraft. Als sein Sekretär und ständiger Begleiter hatte er die meisten Lehrreden selbst miterlebt, andere hatte ihm der Buddha wiederholt. Wir verdanken es hauptsächlich Ananda, wenn uns die Lehrreden heute noch vorliegen. Nach sieben Monaten des Rezitierens hatte die Synode die Texte zusammengestellt.

In den darauf folgenden ca. fünfhundert Jahren wurden Buddhas Reden und Ordensregeln mündlich überliefert, in Gruppen auswendig gelernt, immer wieder untereinander rezitiert und auf verschiedenen Konzilen überprüft, um so Abweichungen zu vermeiden. Buddhas Lehren wurden bis zu ihrer Niederschrift mündlich von einer Generation der Mönche zur nächsten weitergeben, bevor sie 29 v.u.Z. im Aluvihara Kloster in Matale (Sri Lanka) beim vierten Buddhistischen Konzil niedergeschrieben wurden.

Der Buddha hatte nur eine Lehre ohne Unterschied gelehrt. Es gibt somit auch nicht wie heute oftmals dargelegt drei Arten von Lehren oder Fahrzeugen. Diese Lehrauslegungen kamen erst viel später durch die Philosophen des Mahayana und Vajrayana auf. Dies gilt auch für die nach dem Palikanon entstandenen Mahayana Suttren. Diese sollen angeblich von transzendenten Buddhas (obwohl diese doch nach der Lehre des Buddha erloschen sind) und Bodhisattvas inspiriert sein und wurden dem historischen Buddha sogar untergeschoben, um Ihnen mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Vom Buddha wurde jedoch alles zu seinen Lebzeiten und für jedermann ersichtlich dargelegt:

(D 16,2, 23-24)
„Ich habe die Lehre dargelegt, ohne ein Innen und Außen zu unterscheiden, (denn) in der Lehre eines Vollendeten gibt es nicht die geschlossene Faust des Lehrers (in welcher er gewisse Wahrheiten als Geheimlehre zurückhält).“

Somit können die nach dem Palikanon entstandenen Mahayana Suttren auch nicht authentisch sein!

Schon bald nach dem Tode Buddhas kam es unter den Anhängern zu Auseinandersetzungen über seine Lehre, wobei die Mönche der verschiedenen Richtungen lange Zeit unter demselben Dach wohnten (z.B. an der Klosteruniversität Nalanda, bis zu ihrer Zerstörung durch islamische Eroberer im Jahre 1199). Der historische Buddha wurde im Verlauf der Jahrhunderte im Mahayana und Vajrayana überhöht und mit göttlichen Attributen versehen. In die ursprüngliche Selbsterlösungs-Lehre des Buddha schlichen sich Gott-ähnliche Figuren ein, die den Menschen auf dem beschwerlichen Weg ins Nibbana helfen sollen. Die Vorstellung, dass es keine permanente „Seele“ gibt, wurde wieder durch die alte, brahmanistische Idee der wiederholten Reinkarnation derselben Person (siehe Dalai Lama) ersetzt. Aus dem Nibbana wurde ein „Nichts“ (also eine Denkvorstellung) mit permanentem Charakter, ein ewiger Ort der „Leere“; durch die Hintertür schlich sich also wieder so etwas wie ein „Himmel“ oder ein „Paradies“ ein, wenn auch nur in der Negation. Die ursprüngliche Befreiungslehre  Buddhas wurden im Verlauf der Entwicklung nicht nur uminterpretiert, sondern mitunter ins Gegenteil verkehrt. Dies findet seinen Ausdruck insbesondere im Bodhisattva Gelübde, wodurch man sich auf unbestimmte Zeit (bis alle Wesen des Universums auf allen Ebenen des Seins erlöst sind) an Samsara bindet. Und dies obwohl der Buddha gesagt hatte, dass ein Ende des Samsara nicht absehbar sei!

Von den unterschiedlichsten Schulen, die sich nach dem Tod des Buddha gebildet hatten, sind heute noch vier Hauptrichtungen und eine neue säkulare Form zu finden:

Der frühe Buddhismus, auch Theravada (die Lehre der Älteren) genannt

Mahayana Buddhismus (ursprünglich in Indien entstanden)

Ch’an (Zen) hauptsächlich in China, Japan basierend auff dem Mahayana 

Vajrayana (Tantrischer Buddhismus) hauptsächlich in Tibet beheimatet, basiert ebenfalls auf dem Mahayana 

Säkularer (weltlicher) Buddhismus (Europa u. Amerika) basiert nur auf Kernlehren wie Anicca, Dukkha u. Anatta sowie dem „Bedingten Entstehen“

Die Bezeichnung „Hinayana“ bedeutet nicht kleines Fahrzeug, sondern „minderwertiges Fahrzeug“, und ist somit eine überhebliche Diskriminierung, welche sowohl im Mahayana aber insbesondere im Tibetischen-Buddhismus für alle Schulen des Buddhismus verwendet wird, die sich auf die ursprünglichen Lehren des historischen Buddha berufen. Diese Schulen bezeichnen sich jedoch selbst als Theravada oder „die Lehre der Ordensälteren“

1. Der Theravada-Buddhismus ist die Form des Buddhismus, die den ursprünglichen Lehren des historischen Buddha am nächsten steht. Die Lehrreden und Ordensregeln des Buddha wurden auf dem ersten Konzil kurze Zeit nach dem Tod von Buddha zusammengefasst und im damals nur mündlich überlieferten Kanon in der Pali-Sprache festgehalten. Nach dieser Lehre muss jeder den Weg ins Nibbana selber zurücklegen. Neben dem Theravada-Buddhismus existierten innerhalb des Urbuddhismus noch weitere Schulen. Der Theravada-Buddhismus hat sich von Sri Lanka aus in die Länder Südostasiens verbreitet (Thailand, Laos, Kambodscha, Myanmar). Er wird deshalb auch der „südliche Buddhismus“ genannt.

2. Der Mahayana-Buddhismus: 100 bis 200 Jahre nach dem Tode Buddhas kam es zu einer ersten grösseren Spaltung. In deren Gefolge entwickelte sich allmählich eine neue Form des Buddhismus, deren Sprache das Sanskrit werden sollte. Einige Mönche hielten die Lehre und Ordensregeln nicht mehr für zeitgemäß und wollten die Lehre den Menschen zugänglicher machen. Der Buddhismus sollte „volkstümlicher“ werden. Auch die Laien sollten das Schiff der Erlösung besteigen können. Wir sprechen deshalb vom „grossen Fahrzeug“ (Sanskrit: Mahayana).

Zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem 1. Jahrhundert n. Chr. erschienen die beiden Begriffe Mahayana und Hinayana im Saddharma-Pundarika-Sutra oder dem Sutra des Lotus des Guten Gesetzes. Etwa im 2. Jahrhundert n. Chr. wurde das Mahayana klar definiert. Nagarjuna entwickelte die Mahayana-Philosophie des Sunyata und bewies in einem kleinen Text namens Madhyamika-karika, dass alles leer ist. Um das 4. Jahrhundert herum schrieben Asanga und Vasubandhu enorme Mengen an Werken über Mahayana.

Erstmals treten im Buddhismus Erlöser-Gestalten auf: erleuchtete Menschen, sogenannte Bodhisattvas (Pali: Bodhisatta), die aus Mitleid (Nächstenliebe) auf den Übergang ins Nirvana verzichten und den Menschen bei ihrem Weg zur Erlösung behilflich, ja sogar angeblich in der Lage sind, deren „Schuldenkonto“ auszugleichen und deren Leiden auf sich zu nehmen. Das Leiden (Dukkha) und die reale Welt sind nicht mehr, wie beim historischen Buddha, wirklich und gleichzeitig vergänglich, sondern blosser Schein oder Einbildung. Wer die Scheinwelt hinter sich lässt, gerät in die Leerheit des Nirvana. Im Verlauf der Entwicklung des Mahayana trat dann eine Schulrichtung auf, die in dieser Leerheit einen „leuchtenden Geist“ sieht, der schliesslich zum Absoluten wird und mit der Leerheit (dem Nirvana) beziehungsweise dem absoluten „Buddha“ gleichgesetzt wird.

Die Anzahl der ursprünglichen Buddha-Lehrreden vervielfacht sich um Sutras, die dem historischen Buddha oder einem Bodhisattva zugeschrieben werden. Der Mahayana-Buddhismus entfaltete seine Lehre in zahlreichen Schulen, die sich teilweise mehr der philosophischen Spekulation als der religiösen Praxis widmeten, und nahm in mehreren asiatischen Ländern recht unterschiedliche Gestalten an.

3. Der chinesische Buddhismus (Chan) ist eine dieser Weiterentwicklungen des Mahayana-Buddhismus. Wahrscheinlich kam China schon vor der Zeitenwende mit dem Buddhismus in Berührung. Ein Weg führte von Nordindien über das Gebiet des heutigen Afghanistan und Pakistan und über die alten Handelsstrassen nördlich des Himalajas. Auch auf der „maritimen Seidenstrasse“, also über die Strasse von Malakka und die Seehäfen von Sumatra, Borneo, Java, Funan am Mekongdelta und Vietnam, waren buddhistische Mönche unterwegs. Der Buddhismus passte sich den religiösen und ethischen Vorstellungen von Ort und Zeit an und saugte die vorhandenen Anschauungen über Ahnenkult, Geister, Dämonen und Naturgötter Chinas auf. Trotz zeitweiliger Unterdrückung (letztmals während der Kulturrevolution ab 1966) faltete sich der Buddhismus in zahlreiche Schulen und Richtungen auf. Im Wesentlichen bildeten sich zwei Hauptlinien heraus, nämlich

– der Amithaba-Buddhismus: Amithaba ist der „Buddha des unermesslichen Lichtes“; wer an ihn glaubt und ihm dient, gelangt angeblich nach dem Tod ins „Reine Land“, eine Art vollkommenes Paradies voller Lotusblüten und Juwelen; dort wird er die Lehre (Dhamma) hören, verstehen und verinnerlichen, so dass er in die Lage versetzt wird, ins Nirvana einzugehen; auch Glaubens-Buddhismus oder Buddhismus des „Reinen Landes“ genannt;

– der Meditations-Buddhismus: Der Weg zur Erleuchtung und ins Nirvana durch die Meditation führen soll; diese Linie war geprägt vor allem durch den Ch’an-Buddhismus; er nahm Züge des Daoismus auf, der ebenfalls meditative Techniken kennt; hohe Verehrung geniesst der Weisheits-Bodhisattva Manjusri; wer vor seiner Statue meditiert und seine Lehre befolgt, soll zur Buddha-Familie gehören.

Diese Formen des Buddhismus finden sich in China, Korea, Vietnam und natürlich überall dort, wohin Chinesen im Verlauf ihrer Geschichte ausgewandert sind, also beispielsweise in Singapur. In Thailand schlossen sich die Chinesen weitgehend dem thailändischen Theravada-Buddhismus an, brachten aber eigene Traditionen (wie die volkstümliche Verehrung einer Marien-ähnlichen Frauenfigur namens Mäh Kuan Im, eine weibliche Form des Bodhisattva Avalokiteshvara) ein.

4. Der japanische Buddhismus (Zen) beruht auch auf dem Mahayana (Chan), das über China und Korea im sechsten Jahrhundert nach Japan kam. Er entfaltete sich im Verlauf seiner Geschichte ebenfalls in sehr verschiedene Richtungen und verbindet sich teilweise mit der einheimischen Shinto-Religion:

– Stark verbreitet ist der Amida-Buddhismus, die japanische Version des chinesischen Glaubens- oder Amithaba-Buddhismus. Wer die Formel „Verehrung dem Buddha Amida“ mit aufrichtigem, gläubigem und sehnsüchtigem Herzen ausspricht, soll im „Reinen Land“ wiedergeboren werden.

– Im Westen bekannt ist vor allem der Zen-Buddhismus, eine Art Meditations-Buddhismus, der aus dem chinesischen Ch’an-Buddhismus hervorgegangen ist und der die japanische Kultur stärker als andere buddhistische Richtungen prägen sollte. Der Zen-Buddhismus erhebt den Anspruch, zur Essenz der ursprünglichen Lehre Buddhas zurückzukehren, und er lehnt magische Auswüchse und exzessive Formen der Buddha- und Bodhisattva-Verehrung ab. Nicht nur Meditation, sondern auch körperliche Arbeit ist dort ein Weg zur Erleuchtung.

5. Aus der Verbindung zwischen dem Mahayana-Buddhismus und magischen Bräuchen entwickelte sich seit dem zweiten Jahrhundert in Indien ein okkulter, synkretistischer Buddhismus (Tantrajana oder „Fahrzeug der Tantratexte“). Diese Form des Buddhismus, insbesondere die Anlehnung an magische Praktiken und ein ausgeprägtes Ritualwesen, wird auch Vajrayana (Diamantfahrzeug) oder esoterischer Buddhismus genannt. Hinter den zahlreichen Buddhas verbirgt sich ein Ur-Buddha, der mit dem Absoluten gleichgesetzt wird. Das Ziel des Buddhisten ist die Verbindung des Individuums mit dem Absoluten, die Synthese in der Dualität, die Einheit von Existenz und Leere.

6. Der Buddhismus in seiner Mahayana- als auch in der Tantrajana-Ausprägung gelangte ab dem sechsten Jahrhundert in mehreren Wellen nach Tibet und verband sich dort mit der einheimischen Magie, dem Ritualismus und der Götter-, Geister- und Dämonenwelt sowie dem Schamanentum. Im tibetischen Buddhismus können angeblich tausenderlei von Mantra-Sprüchen zur Erleuchtung führen. Sie müssen nicht unbedingt persönlich ausgesprochen werden, sondern können als aufgeschriebener Text einer Gebetsmühle anvertraut werden; wenn sie sich im Wind dreht, entfaltet sich die magische Wirkung des Textes. Als Meditationshilfen dienen Bilder (Thankas). Im elften Jahrhundert hatte sich der Buddhismus in Tibet gefestigt, und er entwickelte sich zu einer eigenständigen synkretistischen Richtung (Vajrayana) mit unterschiedlichen historischen Entfaltungen.

7. Der westliche Buddhismus: Der Buddhismus beeinflusste und begeisterte schon im 19. Jahrhundert die geistige Welt Europas. Einer der ersten, der sich den Ideen aus dem Osten öffnete, war der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer (1788 bis 1860). Eine ganze Reihe von alten buddhistischen Texten wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch vorwiegend englische und deutsche Übersetzungen der westlichen Welt erschlossen, und zwar nicht durch buddhistische Missionare, sondern durch westliche Menschen, die in Asien mit dem Buddhismus in Berührung gekommen waren, oder durch Wissenschaftler. Um 1900 herum traten die ersten Europäer in den Mönchsorden ein. In England entstanden die ersten westlichen buddhistischen Gemeinden und klösterlichen Niederlassungen. Immer mehr ausserasiatische Menschen interessierten sich gegen Ende des Jahrhunderts für den Buddhismus, 

In neuerer Zeit kam noch die Bewegung des säkularen Buddhismus hinzu. Als säkularen Buddhismus bezeichnet man Auffassungen des Buddhismus, die sich von metaphysischen, esoterischen oder magischen Aspekten buddhistischer Traditionen distanzieren. Einer der prägendsten Autoren zum Begriff des säkularen Buddhismus ist Stephen Batchelor. Für ihn folgt die Notwendigkeit eines säkularen Buddhismus aus zwei Aspekten: Die Vorstellung einer Reinkarnation, Karma und Nirvana passt nicht zum westlichen wissenschaftlichen Weltbild,  lässt sich ebenso wenig mit einem wissenschaftlichen Weltbild vereinen. 

Obwohl Karma und Wiedergeburt zu den grundlegenden Erkenntnissen des Buddha bei seinem Erwachen gehören, lehnt der säkulare Buddhismus diese ab: „Die Idee der Reinkarnation passt nicht in unseren heutigen Bezugsrahmen.“ Also entfällt sie kurzerhand. Gestrichen wird außerdem, was der Buddha selbst als das letztendliche Ziel der spirituellen Praxis und die Besonderheit des Buddhismus bezeichnet hat: Nirvana. Ein weiteres Kernstück des Buddha-Dhamma – die Anatta-Lehre, die Lehre von der Ich- bzw. der Substanzlosigkeit aller Phänomene – bleibt auf der Strecke, sie taucht gar nicht mehr auf. Und von den „Vier edlen Wahrheiten“ genügt Batchelor im Grunde eine einzige, die vierte.

Durch einen Prozess der Auslese ergeben sich für Batchelor vier Schlüsselpositionen des ursprünglichen Buddhismus, die sich säkulare Buddhisten zu eigen machen können:

Das Prinzip des Entstehens in Abhängigkeit
Die Vier Edlen Wahrheiten
Die Praxis der Achtsamkeit
Das selbstständige Hinterfragen der Lehre

Dies führt dazu, dass wichtige Aspekte der Lehre nicht mehr für wahr gehalten werden, nur weil diese angeblich wissenschaftlich nicht zu beweisen sind. Somit ist selbst das Ziel des Buddhismus, Nirvana, das Ende des Werdens im Daseinskreislauf, nicht mehr von Relevanz.

 Bis zum heutigen Tag wurde das Theravada Dhamma (Palikanon) weitgehend intakt gehalten, während die Urheber der Mahayana Suttren nicht bekannt sind bzw. auf transzendente Buddhas und Bodhisattvas zurückgeführt werden, bzw. verborgen waren und wieder aufgefunden wurden.

Nachfolgend sollen die Unterschiede zwischen der ursprünglichen Lehre des Buddha und den anderen Lehrauslegungen deutlich gemacht werden.

Um 100 v. Chr. (rund 400 Jahre nach dem Parinibbana des Buddha) hatten eine Reihe von Buddhisten in Indien das Gefühl, dass die bestehenden Aussagen der Lehre abgestanden und unbrauchbar geworden waren. In der Überzeugung, dass Dhamma immer neue Umformungen erfordert, um den Bedürfnissen des neuen Zeitalter, neuen Bevölkerungsgruppen und neuen sozialen Gegebenheiten gerecht zu werden, begannen sie neue Literatur (Mahayana Suttren) zu produzieren, die letztlich als Mahayana-Buddhismus bekannt wurde.

Die Autoren dieser Literatur sind nicht bekannt. Sie werden jedoch auf transzendente Buddhas und Bodhisattvas zurückgeführt, die die Autoren inspiriert haben sollen. Die Schriften wurden über einen Zeitraum von vier bis fünf Jahrhunderte verfasst. Wiederholung (der Ursprünglichen Lehren des Buddha) allein, so glaubten sie, kann keine lebendige Religion aufrechterhalten. Ohne ausgleichende Innovationen würde Religion erstarren und seine lebensspendenden Eigenschaften verlieren.

Was schwierig zu verstehen ist, ist die Tatsache, dass sie bei der Präsentation der neuen Schriften darauf bestanden, das diese die originalen Worte des Buddha seien, obwohl die Texte offensichtlich Jahrhunderte nach dem Parinibbana des Buddha geschrieben wurden. Sie folgten der Mahasanghikas, die die Bedeutung des historischen Gautama Buddha zu minimieren suchte, den sie durch den Buddha ersetzten, der die Verkörperung des Dhamma ist (dharmakaya). In der Doktrin „Lotus des Guten Gesetzes“ wird gesagt, dass der Buddha, weit entfernt von seiner Erleuchtung in Bodhgaya, für Äonen und Äonen wartet, von Ewigkeit zu Ewigkeit, und dass er das Gesetz jederzeit an unzähligen Orten und in unzähligen Verkleidungen predigt.

Nicht zufrieden damit versuchten die Mahayanisten ihre eigenen Schriften mit dem historischen Buddha durch eine Reihe mythologischer Fiktionen zu verknüpfen. Sie behaupteten, dass sie vom Buddha im Laufe seines Lebens auf der Erde instruiert wurden, dass parallel zum Ersten Buddhistischen Konzil in Rajagaha (wo die Suttas des Theravada kodifiziert wurden) die Mahayana Suttas durch eine Reihe von Bodhisattvas kodifiziert wurden, und zwar auf dem mythischen Berg Vimalasvabhava. Die Texte blieben für fünf Jahrhunderte wie durch ein Wunder erhalten und wurden in den unterirdischen Palästen der Nagas aufbewahrt, bzw. beim König der Gandharvas, bzw. dem König der Götter. Dann werden, wie Nagarjuna es ausdrückt, „500 Jahre nach Buddhas Nirvana, als das Gute Gesetz allmählich verschwand und in großer Gefahr war“, diese Schätze aus der Vergangenheit ausgegraben, aufgedeckt und bekannt gemacht.

Was waren die wichtigsten Neuerungen der Mahayana-Lehre? Fünf Punkte:

1. In Bezug auf das Ziel gibt es eine Verschiebung vom Arahant-Ideal zum Bodhisattva-Ideal.

2. Ein neuer Weg der Rettung wird ausgearbeitet, indem Mitgefühl mit Weisheit gleichauf zählt, und was durch allmählichen Fortschritt durch sechs „Vollkommenheiten“ (paramita) gekennzeichnet ist.

3. Der Glaube erhält neuen Raum, indem ein neues Pantheon von Gottheiten vorgesehen ist, oder besser Personen, die mehr als göttlich sind.

4. „Fähigkeit in den Mitteln“ (upayakausalya), eine völlig neue Tugend, wird für die Heiligen wesentlich und rangiert sogar über Weisheit, die höchste Tugend bis dahin.

5. Eine kohärente ontologische Lehre wird ausgearbeitet, die Dingen wie „Leerheit“, „Soheit“, Buddhanatur, Bodhicitta usw. enthält“.

Den Mahayana Buddhismus zu erfassen wird erschwert durch den Umstand, dass er in keinem einzigen Mahayana Suttra komplett, d.h. mit allen Lehrinhalten, beschrieben ist. Addiert man die Teilinformationen der Lehrreden, so beziehen sich diese auf drei Sachbereiche:

1. Die Philosophie der Leerheit, aus der eine Philosophie des Absoluten entwickelt wird;
2. die Vorstellung von transzendenten Buddhas, die in den Weltquartieren Zwischenparadiese verwalten, wo der Gläubige wiedergeborene werden kann, um von dort Nirvana zu verwirklichen;
3. das Leitbild von Wesen (Bodhisattvas), die nach ihrer Erlösung nicht verlöschen, sondern in der samsarischen Welt verbleiben, um anderen zur Erlösung zu verhelfen.

Das Ziel der Arhantschaft wird nun auf den zweiten Platz verwiesen. Die Mahayanisten streben an ein „Bodhisattva“ zu werden. Ein Bodhisattva zeichnet sich durch drei Merkmale aus:
(a) In seinem Wesen wird er vom Wunsch getragen, die volle Erleuchtung eines Buddhas zu erlangen,
(b) er wird von zwei Kräften im gleichen Verhältnis dominiert, d.h. durch Mitgefühl und Weisheit. Aus Mitgefühl vertagt er selbstlos seinen Eintritt in die Seligkeit von Nirvana, um leidenden Kreaturen zu helfen,
(c) Obwohl die Absicht für ultimative Reinheit besteht, bleibt ein Bodhisattva in Verbindung mit gewöhnlichen Menschen, indem er die gleichen Leidenschaften pflegt wie diese. Seine Leidenschaften beeinträchtigen bzw. verschmutzen jedoch nicht seinen Geist.

Das Mitgefühl eines Bodhisattvas wird „groß“ genannt, weil es grenzenlos ist und keine Unterschiede macht. Diese Erleuchtung zieht nicht automatisch den Wunsch nach sich, Anderen zu helfen. Unter den Erleuchteten unterscheiden sie drei Typen, zwei von ihnen „egoistisch“, einer „selbstlos“. Die „egoistischen“ Typen sind Arhants und Pratyekabuddhas, von den gesagt wird, dass sie die Idee des Hinayana repräsentieren, das „minderwertige Fahrzeug“. Die „Selbstlosen“ sind die Buddhas, und das Streben nach der uneigennützigen Erleuchtung als Bodhisattva ist das „Buddha-Fahrzeug“ des „Großen Fahrzeugs“ (maha-yana).

Ein Bodhisattva muss ein geduldiger Mensch sein. Er will ein Buddha werden, aber seine Entfernung von der transzendentalen Vollkommenheit eines höchsten Buddhas, der beide kennt und alles ist, wird offensichtlich endlos sein. In einem Leben kann es unmöglich erreicht werden. Unzählige Leben werden benötigt und ein Bodhisattva muss für Äonen und Äonen warten, bevor er sein Ziel erreichen kann. Selbstlos zu werden ist die oberste Aufgabe des Bodhisattva. Durch zwei Arten von Maßnahmen versucht er dies zu erreichen – aktiv durch Selbstaufopferung und selbstlosen Dienst, kognitiv durch die Einsicht in die objektive Nicht-Existenz eines Selbst. Die erste Maßnahme basiert auf Mitgefühl, die zweite auf Weisheit.

Die Einheit von Mitgefühl und Weisheit wird durch die sechs „Vollkommenheiten“ oder „Paramita“ gelebt, die sechs „Methoden, mit denen wir zum Jenseits gehen“. Eine Person verwandelt sich in einen Bodhisattva, wenn er zuerst beschließt die volle Erleuchtung zum Wohle aller Wesen zu gewinnen. Die Sechs sind: die Vollkommenheit des Gebens, Moral, Geduld, Kraft, Meditation und Weisheit.

Durch die Einführung des Bodhisattva Gelübdes verzichtet man zudem auf die von Buddha gelehrten vier Stufen der Heiligkeit:

(1) Sotāpan (Stromeintritt)
(2) Sakādāgamī (Einmal-Wiederkehrer)
(3) Anāgāmī (Niemals-Wiederkehrer)
(4) Arahat (Heiliger)

Da man ja solange in Samsara verbleiben will, bis alle Wesen erlöst sind, kann man noch nicht einmal die erste Stufe des Stromeintritts erreichen, da dann ja gemäß dem Versprechen des Buddha nur noch max. sieben Leben bis zum Arahant und damit dem Nirvana verbleiben.

Dies bedeutet aber auch, dass keine der 10 Fesseln gelöst wird, die uns an Samsara binden, weil die ersten drei Fessel, beim Stromeintritt durchtrennt werden und die weiteren Fesseln darauf aufbauen:

1. Persönlichkeitsglaube -> Keine Identifikation mit den 5 Khandhas (Körper und Geist)
2. Zweifelsucht -> Vertrauen zu Buddha und seiner befreienden Lehre, dem Dhamma haben
3. Hängen an Regeln und Riten -> den Irrglauben ablegen, man könne durch Rituale, Mantren, Gebete, Opfer usw. Erlösung erlangen.

Ohne die erste drei ersten Fesseln können die weiteren Fesseln ebenfalls nicht gelöst werden:

4. Sinnenlust -> Überwindung von sinnlichem Verlangen, Ergreifen und Anhaften (Genießen, Erleben, Haben und Seinwollen)
5. Böswilligkeit -> Überwindung der Abneigung durch Versönlichkeit, Liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude
6. Begehren nach feinkörperlichem Dasein -> nichts in Samsara ist der Mühe wert, dafür in Erscheinung zu treten: Auch eine Existenz in den göttlichen Bereichen mit einem feinstoffliche Körper ist anicca (unbeständig u. vergänglich), dukkha (letztlich unbefriedigend und leidvoll) und anatta (die Khandhas sind nicht das Selbst und daher ohne Kontrolle).
7. Begehren nach unkörperlichem Dasein -> nichts in Samsara ist der Mühe wert, dafür in Erscheinung zu treten: Auch eine Existenz in den göttlichen Bereichen ohne körperliche Basis ist anicca (unbeständig u. vergänglich), dukkha (letztlich unbefriedigend und leidvoll) und anatta (die Khandhas sind nicht das Selbst und daher ohne Kontrolle).
8. (Ich) Dünken -> Überwinden der letzten sehr subtilen Form des Ich-bin-Empfindens (asmi-mano) vor dem Verlöschen des samsarischen Bewusstseins.
9. Unruhe -> keine Willensregungen mehr in Bezug auf Samsara. In Gleichmut frei von Durst (Tanha) nach Dasein u. sinnlichem Erleben. 
10. Nicht-Wissen -> Weisheit des Buddha Dhamma: Insbesondere „Die vier Edlen Wahrheiten“

Auf dem Weg des Mahayana und Vajrayana ist somit nichts von dem erreicht, was dem Buddha wichtig war!

Das die Theravada-Mönche die Neuerungen des Mahayana kommentarlos hingenommen hätten, ist wenig wahrscheinlich, jedoch sind Äußerungen dazu nicht überliefert. Vermutlich hätten man diese Lehrauslegungen als ein Zerrbild dessen betrachtet, was der Buddha gelehrt hatte:

- Das die Erlösung aller Wesen ein unerreichbares Ziel sei (die Anzahl der Wesen im Universum auf allen Ebenen des Seins ist unermesslich)
- das die Annahme eines Ewigen Absoluten (Leerheit) angesichts der universellen Vergänglichkeit ein absurder Glaube sei;
- und das alle Heilswege des Mahayana, die auf Hilfe von außen (transzendente Buddhas und Bodhisattvas) hoffen, ins samsarische Dickicht führen.

Zusätzlich zu den „Verbesserungen“, die in Indien eingefügt wurden, gab es weitere Maßnahmen mit nationalem Beigeschmack, als sich der Mahayana-Buddhismus nach China, Japan und Tibet ausbreitete (und mit neuen Namen wie Zen, Vajrayana, usw. daherkam).

Die Prämisse des Mahayana-Buddhismus, das Buddha Dhamma „zu verfeinern und zu verbessern“, steht im krassen Widerspruch zu einem der fundamentalen Konzepte in Dhamma, dass nur ein Buddha diese Gesetze der Natur entdecken kann und per DEFINITION ist es nicht möglich diese zu verbessern. Sie selbst geben zu, dass ein Buddha in der Welt nach langer Zeit erscheint, und somit ist ihr Versuch, Buddha Dhamma zu ändern einer der grundlegendsten Widersprüche des Mahayana-Buddhismus!

Ich empfehle jedem ernsthaft Suchenden die Lehren und Lehrer genau zu prüfen. Der Buddha gab uns dazu einige wichtige Kriterien zur Überprüfung der Authentizität vermeintlicher Lehren des Buddha mit auf den Weg. Wenn diese nicht zum Erlöschen des Dustes nach Dasein und sinnlichem Erleben (das Ende der Wiedergeburten) und den damit einhergehenden Daseinsgrundlagen (Khandhas) führen, dann sind dies sicher nicht die Lehren des Buddha:

AN 7.83 - Das wahre Gesetz des Meisters
„Von denjenigen Dingen, Upāli, von denen du merkst, daß sie nicht zur völligen Abwendung (Vorstellung von Ich und Mein in der Welt), Entsüchtung (Unwissenheitstrieb, Daseinstrieb, Sinnentrieb), Aufhebung (der Wiedergeburten), Stillung (des Durstes nach Dasein und sinnlichem Erleben), Durchschauung (der Daseinsfesseln) und nicht zum Nibbāna (sondern Verbleib in Samsara) führen, da magst du, Upāli, mit Sicherheit annehmen, daß dies nicht die Lehre ist, nicht die Zucht, nicht des Meisters Weisung.“

Home
Share by: