Samsara

Der Daseinskreislauf (Samsara)

Das Wort Samsara bedeutet übersetzt „beständiges Wandern“ und wird auch als der Daseinskreislauf bezeichnet.

In der Lehre des Buddha ist diese menschliche Existenz nur ein Glied in einer anfangslosen Kette von Manifestationen. Wo, wie und unter welchen Umständen neue Daseinsgrundlagen (Körper und Geist) wieder in Erscheinung treten, ist abhängig von den karmischen Dispositionen (kamma vipaka) aus früheren Manifestationen.

Wichtig ist es zu verstehen, dass gemäß der Lehre des Buddha von “Kein Selbst” (an-atta), es NIEMANDEN gibt, der von Manifestation zu Manifestation wandern würde. Es findet sich lediglich ein bedingten Entstehens, Vergehens und Anderswerdens von Daseinsgrundlagen (Körper und Geist), wodurch das dadurch bedingte Kontinuum des Bewusstseins weiter aufrechterhalten wird.

Hätte der Buddha nicht einen Ausweg aus diesem Daseinskreislauf erkannt, so könnte dieser auch noch endlos weitergehen. Die Befreiung nach der Lehre des Buddha ist es, mit dem Werden im Daseinskreislauf aufzuhören (bhava nirodha). Dies ist gleichbedeutend mit dem Ende des Leidens (dukkha) durch das Erlöschen (Nirvana).

Ursachen von Samsara ist das im Nicht-Wissen (um die vier edlen Wahrheiten) bedingte Verlangen nach Dasein und sinnlichem Erleben (Sinnes- u. Geistobjekte). Alle Wesen bleiben bis zum Erlangen des Nirvana im Samsara verhaftet. Anhaften führt gemäß der Lehre des Buddha vom Bedingten Entstehen zu immer neuem Werden. Samsara kann erst dann überwunden werden, wenn der Durst nach Dasein und sinnlichem Erleben und damit Gier (Verlangen), Hass (Abneigung) und Verblendung (geistige Blindheit) verloschen ist. Dies geschieht dann, wenn wir erkennen wie es wirklich ist:

daß alles Gestaltete (das Zusammengesetzte und Bedingte) vergänglich (anicca) ist,
daß alles Gestaltete (durch Ich- und Mein-machen) dem Leiden (dukkha) unterworfen ist,
daß alle Dinge (das Gestaltete u. Ungestaltete) kein Selbst (anatta) sind.

Der Buddha beschreibt folgerichtig in der ersten edlen Wahrheit die menschliche Existenz (Körper und Geist nebst Bewusstsein) als Dukkha:

Körper: „Geburt ist Dukkha, Altern ist Dukkha, Krankheit ist Dukkha, Tod ist Dukkha“;
Gefühle: „Kummer, Jammer, Schmerz, Betrübnis und Verzweiflung sind Dukkha“;
Lebensumstände: „Zusammen zu sein, mit dem was man nicht liebt, ist Dukkha; Getrennt zu sein von dem, das man liebt, ist Dukkha“.
Haben und Sein-Wollen: „Nicht zu bekommen, was man sich wünscht, ist Dukkha“;

Persönlichkeit: „Kurz gesagt: die fünf Daseinsgruppen (khandha), die ergriffen werden, sind Dukkha.“

In der Erleuchtungserfahrung des Buddha konnte er auf Hunderttausende seiner Wiedergeburten über eine Vielzahl von Äonen (Entstehen und Vergehen des Universums) zurückschauen, ohne dabei einen Anfang zu finden. Er erkannte, dass diese Wiedergeburten im Daseinkreislauf (Samsara) dem Gesetz von Ursache (Kamma) und Wirkung ( Vipaka) unterliegen. Er beschreibt dies wie folgt:

MN 36: Mahasaccaka Sutta
.....
"Als der Geist so konzentriert, gereinigt, strahlend, makellos, frei von Trübungen, fügsam, formbar, standhaft und zur Gelassenheit gelangt war, richtete ich ihn zu dem Wissen des Wiedererinnerns meiner vergangenen Leben. Ich wiedererinnerte mich vielfältiger vergangener Leben, d.h. einer Geburt, zwei... , fünf... , zehn... , fünfzig... , einhundert, eintausend, einhunderttausend, viele Weltzeitalter von kosmischem Zusammenzug, vieler Weltzeitalter von kosmischer Ausdehnung, vieler Weltzeitalter von kosmischem Zusammenzug und Ausdehnung: 'Dort hatte ich solch einen Namen, gehörte solch einer Sippe an, hatte solch eine Erscheinung. So war meine Nahrung, so meine Erfahrung von Wohl und Weh, so das Enden meines Lebens. Aus diesem Zustand dahinscheidend, kam ich dort wieder auf. Dort ebenfalls, hatte ich solch einen Namen, gehörte solch einer Sippe an, hatte solch eine Erscheinung. So war meine Nahrung, so meine Erfahrung von Wohl und Weh, so das Enden meines Lebens. Aus diesem Zustand dahinscheidend, kam ich dort wieder auf.' So wiedererinnerte ich mich meiner vielfältigen vergangenen Leben, deren Art und Details.

"Dieses war das erste Wissen, das ich, in der ersten Wache der Nacht, erlangte. Unwissenheit war zerstört, Wissen kam auf, Dunkelheit war zerstört, Licht kam auf, so wie es in einem passiert, der gewissenhaft, begeistert und entschlossen ist. Doch das angenehme Gefühl, daß auf diese Weise auf kam, drang nicht in meinen Geist ein, oder verblieb.

"Als der Geist so konzentriert, gereinigt, strahlend, makellos, frei von Trübungen, fügsam, formbar, standhaft und zur Gelassenheit gelangt war, richtete ich ihn zu dem Wissen über das Dahinscheiden und Wiedererscheinen von Lebewesen. Ich sah, mit dem Mittel des himmlischen Auges, gereinigt und das menschliche übertreffend, Lebewesen dahinscheiden und wiedererscheinen, und erkannte wie diese unterlegen und erhaben, schön und häßlich, beglückt und unbeglückt, im Einklang mit deren Kamma waren: 'Diese Lebewesen, welche mit schlechtem Verhalten im Körper, Sprache und Geist bestückt waren, welche die Noblen verunglimpften, falsche Ansichten hielten und Handlungen unter Einfluß von falschen Ansichten unternahmen, mit dem Zerfall des Körpers, nach dem Tod, sind in der Ebene der Entbehrung, den schlechten Bestimmungsort, den niedrigen Reichen, in der Hölle, wiedererschienen. Aber jene Lebewesen, die bestückt mit gutem Verhalten des Körpers, Sprache und Geist waren, welche die Noblen nicht verunglimpften, die rechte Ansicht hielten und Handlungen unter Einfluß von rechter Ansicht unternahmen, mit dem Zerfall des Körpers, nach dem Tod, sind diese am guten Bestimmungsort, in den himmlischen Welten, wiedererscheinen.' So sah ich, mit dem Mittel des himmlischen Auges, gereinigt und das menschliche übertreffend, Lebewesen dahinscheiden und wiedererscheinen, und ich erkannte wie diese im Einklang mit deren Kamma, unterlegen und erhaben, schön und häßlich, beglückt und unbeglückt waren.

"Dieses war das zweite Wissen, das ich, in der zweiten Wache der Nacht, erlangte. Unwissenheit war zerstört, Wissen kam auf, Dunkelheit war zerstört, Licht kam auf, so wie es in einem passiert, der gewissenhaft, begeistert und entschlossen ist. Doch das angenehme Gefühl, daß auf diese Weise auf kam, drang nicht in meinen Geist ein, oder verblieb.

Unbekannten Anfangs ist das Dasein in Samsara. Nachfolgend einige Auszüge von Lehrreden des Buddha dazu. Diese finden sich im Palikanon im Saṃyutta Nikaya 15 - Von dem, was unbekannten Anfanges ist:

Saṃyutta Nikaya 15
Von dem, was unbekannten Anfanges ist
6. Die Senfkörner

(Ort der Begebenheit:) Sāvatthī.

Und es begab sich ein Bhikkhu dorthin usw. usw. (= 5). ..

Zur Seite sitzend sprach dann der Bhikkhu zu dem Erhabenen also: „Ist ein Weltalter wohl lang, Herr?“

„Lang freilich, o Bhikkhu, ist ein Weltalter (Entstehen und Vergehen des Universums). Es ist nicht leicht, es auszurechnen: so und so viele Jahre ist es usw. usw. (= 5)...“

„Ist es aber möglich, Herr, in einem Gleichnis es zu tun?“

„Das ist möglich, o Bhikkhu,“ sprach der Erhabene. „Das ist gerade so, wie wenn da eine eherne Stadt wäre, eine Meile lang, eine Meile breit, eine Meile hoch, angefüllt mit Senfkörnern, in Häufchen geordnet; davon nähme ein Mann immer nach Ablauf eines Jahrhunderts je ein Senfkorn weg: schneller würde ja, o Bhikkhu, durch solches Verfahren der große Haufen Senfkörner aufgebraucht und ginge zu Ende, als ein Weltalter.

So lang, o Bhikkhu, ist ein Weltalter. Von solch langen Weltaltern, o Bhikkhu, wurden viele Weltalter, viele Hunderte von Weltaltern, viele Tausende von Weltaltern, viele Hunderttausende von Weltaltern bei dem Umlauf der Geburten durchmessen.

Warum das? Unbekannten Anfangs, ihr Bhikkhus, ist dieser Umlauf der Geburten; nicht kennt man einen ersten Beginn bei den Wesen, die, in dem Hemmnis des Nichtwissens, in der Fessel des Durstes gefangen, (von Geburt zu Geburt) umherwandern und umherlaufen.

Nunmehr aber, ihr Bhikkhus, habt ihr wohl Ursache genug, Widerwillen zu fassen gegen alle Gestaltungen, habt Ursache genug, gegen sie gleichgültig zu werden, habt Ursache genug, von ihnen euch loszulösen.“


Saṃyutta Nikaya 15
Von dem, was unbekannten Anfanges ist
1. Gras und Holz

Also habe ich vernommen.

Einstmals weilte der Erhabene in Sāvatthī, im Jetahaine, im Parke des Anāthapindika.

Da nun redete der Erhabene die Bhikkhus an: „Ihr Bhikkhus!“ „Ja, Herr!“ erwiderten die Bhikkhus aufhorchend dem Erhabenen.

Der Erhabene sprach also: „Unbekannten Anfangs, ihr Bhikkhus, ist dieser Umlauf der Geburten; nicht kennt man einen ersten Beginn bei den Wesen, die, in dem Hemmnis des Nichtwissens, in der Fessel des Durstes gefangen, (von Geburt zu Geburt) umherwandern und umherlaufen.

Das ist gerade so, ihr Bhikkhus, wie wenn da ein Mann hier in Jambudīpa (Indien) Gras und Holz und Zweige und Blätter abschnitte, sie zusammenhäufte und, lauter viereckige Stöße daraus bildend, sie hinlegte, indem er dazu spräche: ‚das ist meine Mutter, das ist dieser meiner Mutter Mutter.‘ Nicht zu Ende gingen, ihr Bhikkhus, die Mütter der Mutter jenes Mannes; aber Gras und Holz und Zweige würden aufgebraucht hier in Jambudipa und gingen zu Ende.

Warum das? Unbekannten Anfangs, ihr Bhikkhus, ist dieser Umlauf der Geburten; nicht kennt man einen ersten Beginn bei den Wesen, die, in dem Hemmnis des Nichtwissens, in der Fessel des Durstes gefangen, (von Geburt zu Geburt) umherwandern und umherlaufen.

Auf diese Art ist ja lange Zeit hindurch von euch, ihr Bkikkhus Leiden ausgekostet worden, ist Pein ausgekostet worden, ist Verlust ausgekostet worden, ist das Leichenfeld gewachsen.

Nunmehr aber, ihr Bhikkhus, habt ihr wohl Ursache genug, Widerwillen zu fassen gegen alle Gestaltungen, habt Ursache genug, gegen sie gleichgültig zu werden, habt Ursache genug, von ihnen euch loszulösen.“

Saṃyutta Nikaya 15
Von dem, was unbekannten Anfanges ist
3. Tränen

(Ort der Begebenheit:) Sāvatthī.

„Unbekannten Anfangs, ihr Bhikkhus, ist dieser Umlauf der Geburten; nicht kennt man einen ersten Beginn bei den Wesen, die, in dem Hemmnis des Nichtwissens, in der Fessel des Durstes gefangen, (von Geburt zu Geburt) umherwandern und umherlaufen.

Was haltet ihr davon, ihr Bhikkhus? Was ist wohl mehr: die Tränen, die euch entströmt und die von euch vergossen worden, da ihr, so lange Zeit hindurch (von Geburt zu Geburt) umherwandernd und umherlaufend, über Vereinigung mit Unliebem und über Trennung von Liebem klagtet und weintet, oder das Wasser in den vier großen Meeren?“

„Wie wir, Herr, die von dem Erhabenen gepredigte Lehre verstehen, sind mehr die Tränen, die uns entströmt und die von uns vergossen worden, Herr, da wir, so lange Zeit hindurch (von Geburt zu Geburt) umherwandernd und umherlaufend, über Vereinigung mit Unliebem und über Trennung von Liebem klagten und weinten, als das Wasser in den vier großen Meeren.“

„Gut, gut, ihr Bhikkhus! Gut ja versteht ihr Bhikkhus auf diese Art die von mir gepredigte Lehre.

Mehr sind, ihr Bhikkhus, die Tränen, die euch entströmt und die von euch vergossen worden, da ihr, so lange Zeit hindurch (von Geburt zu Geburt) umherwandernd und umherlaufend, über Vereinigung mit Unliebem und über Trennung von Liebem klagtet und weintet, als das Wasser in den vier großen Meeren.

Lange Zeit hindurch ist von euch, ihr Bhikkhus, der Tod der Mutter ausgekostet worden. (Mehr waren) die Tränen, die euch entströmt und die von euch vergossen worden, da ihr, den Tod der Mutter auskostend, über Vereinigung mit Unliebem und über Trennung von Liebem klagtet und weintet, als das Wasser in den vier großen Meeren.

Lange Zeit hindurch ist von euch, ihr Bhikkhus, der Tod des Vaters ausgekostet worden—ist der Tod des Bruders ausgekostet worden—ist der Tod der Schwester ausgekostet worden—ist der Tod des Sohnes ausgekostet worden—ist der Tod der Tochter ausgekostet worden—ist der Verlust von Verwandten ausgekostet worden—ist der Verlust des Vermögens ausgekostet worden.

Lange Zeit hindurch ist von euch, ihr Bhikkhus, das Elend der Krankheit ausgekostet worden. (Mehr waren) die Tränen, die euch entströmt und die von euch vergossen worden, da ihr, das Elend der Krankheit auskostend, über Vereinigung mit Unliebem und über Trennung von Liebem klagtet und weintet, als das Wasser in den vier großen Meeren.

Warum das? Unbekannten Anfangs, ihr Bhikkhus, ist dieser Umlauf der Geburten; nicht kennt man einen ersten Beginn bei den Wesen, die, in dem Hemmnis des Nichtwissens, in der Fessel des Durstes gefangen, (von Geburt zu Geburt) umherwandern und umherlaufen.

Nunmehr aber, ihr Bhikkhus, habt ihr wohl Ursache genug, Widerwillen zu fassen gegen alle Gestaltungen, habt Ursache genug, gegen sie gleichgültig zu werden, habt Ursache genug, von ihnen euch loszulösen.“

Das gilt es zu verstehen. Es geht nicht nur um dieses aktuelle Leben. Der Buddha hat bei seiner Erleuchtung auf hunderttausende von Leben über Weltzeitalter hinweg zurückgeschaut. Er konnte dabei keinen Anfang finden! Dies gilt auch für jedes andere Lebewesen auf allen Daseinsebenen in allen Existenzformen, vom Höllenwesen bis zu dem höchsten Gottheiten.

Seit anfangsloser Zeit treten wir auf allen Daseinsebenen gemäß den karmischen Dispositionen immer wieder bedingt in Erscheinung. Und so wird es auch weitergehen, ohne Anfang und ohne Ende, wenn wir nicht durch den vom Buddha gelehrten Edlen achtfachen Pfad der Geistesschulung dem Daseinskreislauf (Samsara) beenden und Nirvana erlangen.

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